Störche

Die Frage, wo eigentlich die Babies herkommen darf im Allgemeinen als noch ungeklärt gelten. Zwar gibt es wirre Theorien, die sich um winzige Ei- und Spermazellen ranken, die jedoch eindeutig ins Reich der Phantasie gehören. Wer schon einmal ein Mikroskopbild einer Eizelle gesehen hat, musste feststellen: Keine Ohren. Also ganz anders als der Mensch mit seiner komplexen Ohrkonstruktion. Mit den Spermazellen sieht es ganz ähnlich aus: Keine Ohren. Schlimmer noch ähneln diese eher einem Schwarm Qaulquappen (Doppel-q, Doppel-p, Doppel-a, Doppel-u – ein Wahnsinnswort), als den neidlichen Babies, die wir kennen.
Jeder kennt die komplizierte, veschachtelte und in sich gedrehte Struktur eines Ohres, was es unmöglich macht, dass ein derartiges Gebilde aus dem Nichts entstehen kann.
Würde die Menschheit aus schwimmenden Wesen mit riesigem Kopf und langem Flossenschwanz – aber ganz ohne Ohren – bestehen, müsste man dieser Theorie eine mögliche Relevanz zugestehen, obwohl viele weitere Argumente ähnlicher Art dem immer noch entgegenstünden (als Beispiel frage man sich nach den Armen oder der Geburt Jesu).
Nun können die Ohren auch nicht unmittelbar von der Mutter stammen, denn – wie empirische Studien belegen, haben die Mütter auch nach einer Geburt ihre Ohren noch. Vom Vater noch viel weniger, denn dafür ist eine Spermazelle viel zu klein. Besonders im Vergleich zur Eizelle, so dass ein wesentlicher, formgebender Anteil des Spermiums ohnehin ausgeschlossen werden muss.

Ein weiterer Mythos entspinnt sich um das Gerücht der weiblichen Entbindung, in der ein vollständiges Kleinkind aus dem Bauch einer Frau gepresst wird. Wer sich auch nur ein wenig in der weiblichen Anatomie auskennt, wird wissen, dass dies vollkommen unmöglich ist. Zwar wird dieser Aberglaube durch die über Monate zelebrierte Ausdehnung des sogenannten „Schwangerschaftsbauches“ genährt, wobei man von einer ebenso gezielten wie geschickten Täuschung ausgehen muss. Fragt man nach dem Urprung solcher Vorstellungen, muss man fragen, wer davon profitiert. Dabei wird schnell klar, dass es sich um eine Verschwörung des Weltfeminismus handelt und sich insofern selbst enttarnt und ad absurdum führt. Da sich diese Vorstellung im Licht zeitgenössicher Forschung mit immer ausgefeilteren Methoden nicht länger halten lässt, sucht der Weltfeminismus neuerdings nach anderen Angriffsmethoden auf die seit Jahrtausenden etablierte und bewährte Weltordnung.

Eine leider etwas in Vergessenheit geratene, dafür umso logischere Theorie der Fortpflanzung dreht sich um Störche. Sie bietet eine nachvollziehbare Erklärung für die sogenannte „letzte Meile“, also dem Transport des vollständigen Kindskörpers ins Zielelternhaus. Im Gegensatz zu den bisher aufgezeigten Mythen ist sie wissenschaftlich recht gut untermauert und dem gesunden Menschenverstand zugänglich.
Zunächst erklärt sie schlüssig das Zurückziehen der Mutter mit einer ebenfalls weiblichen Hebamme, das offensichtlich dazu dient, den tatsächlichen Vorgang zu verschleiern. Das dabei zelebriete Brimbamborium dient der Aufrechterhaltung des Mythos.
Einen noch stärkeren Beweis liefert die Statistik: Die Verringerung des Storchenbestandes hierzulande geht in überzufälliger Weise mit dem Rückgang der Geburtenrate einher.
In China beispielsweise wird die beinahe Ausrottung des Storches durch Umwelteinflüsse und Zerstörung ihres Lebenraumes durch E-Auto-Produktion als „Ein-Kind-Politik“ getarnt, wie es für totalitär regierte Staaten typisch ist. Zufall?
In den geburtenstarken Staaten in Afrika und Südamerika ist der Storch weiterhin sehr verbreitet. Die zwingende Logik dieser Statistik darf nicht übersehen werden.
Sollte immer noch ein weiterer Beweis fehlen: Der „Storchenbiss“ bei Neugeborenen lässt sich durch keine „alternative“ Theorie erklären und ist für sich genommen Beweis genug.
Zwar bietet die Storchentheorie noch keine genaue Erklärung für die Vorgänge vor der „letzten Meile“; Das ist aktueller Forschungsgegenstand und erste Studien aus Japan deuten in die richtige Richtung. Hierbei erscheinen unterirdische Brutstationen als vielversprechende Hypothese.

Eine ebenfalls ältere Vorstellung dreht sich um Blumen und Bienen. Diese kann jedoch als Kindermärchen erkannt und nicht weiter betrachtet werden. Sie dient nur dazu, Kinder ideologisch zu indoktrinieren, um sie für das Eier-Sperma-Konstrukt gefügig zu machen.

Geht man streng wissenschaftlich vor, gilt Ockhams Rasiermesser.

  1. Von mehreren möglichen hinreichenden Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
  2. Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen enthält und wenn diese in klaren Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.

Beide Kriterien stützen eindeutig die Storchentheorie.

Wacht auf!!

WM2022 und die Armbinde des Torwarts

WM2022 – was soll dieses Getöse um eine Armbinde am Torwart? In dem Augenblick, da man sich in ein Flugzeug nach Katar setzt, hat man unterschrieben, dass man die Verhältnisse vor Ort akzeptiert, dass man sich den Gesetzen und der Moral des Gastgebers unterwirft. Nichts anderes übrigens, als wir von unseren Migranten aus jedem denkbaren Kulturkreis erwarten.

Und so ethisch gravierend können die Einlassungen nicht sein, so schwer können sie uns nicht fallen, geht es doch im Gegenzug nicht um die Rettung der Welt, sondern um ein paar Fußballspiele, die oft nicht das Niveau der 2. Bundesliga erreichen.

Was soll nun dieses peinliche Geziehe um die Armbinde eines Torwarts? Die Einverständniserklärung ist vollumfänglich unterzeichnet, wozu diese winzige Stichelei, die man selbst auf hochauflösenden Fernsehern nicht erkennen kann? Ablass wird auf diese Weise nicht gewährt.

Und selbst diese miniminiminimale Demonstration der moralischen Überlegenheit wird nun aufgegeben. Nicht, weil die Kataris auf die Barrikaden gegangen sind und in ihrer Wut über die Verletzung ihres Nationalstolzes die Stadien anzünden und die Hotels der Mannschaften stürmen, sondern weil der korrupte FIFA-Haufen das für unangemessen hält. Sanktionsandrohung: Eine gelbe Karte für den Torwart. Dieses Risiko ist uns nicht – und schon gar nicht den Spielern – zuzumuten. Denn für die geht es nicht um Politik oder Ethik, sondern rein um den Sport – natürlich.

Und sagt bitte nicht, dass ihr den DFB oder den WM-Gewinnler (das ‚l‘ ist wichtig) Torwart für ihre klare Kante gegen Sklaverei und Menschenrechtsverletzung auch noch loben und bewundern wolltet? Das ist sowas von erbärmlich.

Man bedenke: Das DFB-Team ist nicht gezwungen worden, nach Katar zu fahren, um dort aus purer Not als Tat der Verzweiflung und des Widerstandes einem Spieler eine bunte Armbinde zu verpassen. Das erinnert an die „Hilfe, ich bin Gefangener einer Glückskeksfabrik“-Botschaft in einem Glückskeks. Man ist freiwillig, in Erwartung wirtschaftlicher Vorteile dorthin. Mit Anlauf und Vergnügen. Es ist immer wieder erschütternd, wie gering der Preis für unsere westlichen Wertvorstellungen ist.

Nicht nach Katar zu fahren, und das früh öffentlich und kategorisch Kund zu tun, wäre das einzig Richtige gewesen. Statt – für ein bisschen Fußball(!!!) – unsere scheinheilige Ethik zu verraten und das jetzt mit einem kleinen Stück bunten Stoffs umkehren zu wollen.

Da könnten wir doch die Todesstrafe wieder einführen. Nicht für Schwule, aber wie wäre es mit straffälligen Migranten, die unsere Werte und Gesetze nicht respektieren? So, wie es die Kataris tun? Ethisch halb so wild – verglichen mit einer gelben Karte.

Schnee

Der Schnee leis‘ an den Berg sich schmiegt
im zarten Liebesringen
Ganz sanft auf seinen Hängen liegt
wohl gut in allen Dingen.

Sein Wasser speist der Seele See
im Fühlen fest und schwer
zum Herz geschmolzen ist der Schnee
und gibt es nicht mehr her.

Des Geistes Wind weht eisig scharf
und Kälte in die Tiefe führt
niemals fragt er, ob er darf
dass Berg und See erfriert.

mBike

eBike-Batterie schon wieder leer? Hast du genug davon, ständig deinen Akku wieder aufladen zu müssen? Bist du es leid, alle zwei Jahre für viel Geld einen neuen kaufen zu müssen? Hast du ein schlechtes Gewissen wegen des umweltzerstörenden Lithium-Raubbaus in Südamerika? Ärgert dich die mangelnde Reichweite und das Schneckentempo deines eBikes?

Das muss doch nicht sein!

Es gibt einen neuen Trend: Das mBike!

mBike des Autors

Diese fast vergessene und von der eBike-Industrie totgeschwiegene Technologie auf Kohlehydrat-Basis (Full-Carbon-Technik) unterstützte schon das US-Militär bei der Befreiung Nazi-Deutschlands und wurde bei der NASA während des Mondlandungsprogramms Apollo intensiv eingesetzt. Doch fast nur in der innovativen studentischen Elite und bei wenigen, kreativen Köpfen hat sich die mBike-Technologie bis heute erhalten und weiter entwickelt, führt aber seit der eBike-Revolution ein Schattendasein am Rande der Gesellschaft.

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Nachhaltigkeit, virtuell ungebegrenzte Reichweite, weniger Gewicht, keine Abhängigkeit von der Steckdose. Der bewusste Verzicht auf die schwere Batterie und den klobigen Elektromotor führt zu einem schlankeren und eleganteren Design. Und letzten Endes werden mit mBikes deutlich höhere Geschwindigkeiten erreicht*. Die Verwendung eines mBikes reduziert nicht nur das Gewicht des Rades, sondern auch seines Fahrers, was mit einer weiteren Effizienzsteigerung einhergeht. Und das alles zu einem Preis, den du bei einem Fahrrad niemals für möglich gehalten hättest!

Deshalb schlage der eBike-Industrie ein Schnippchen und beweise, dass auch du Teil des Fortschritts sein willst! Hol‘ auch du dir noch heute dein neues mBike!

* fahrerabhängig

Das verborgene Böse

Übersetzung nach dem Original von Juan Manuel Guerrera.

Ich bin ein übler Geselle. Mir dessen bewusst zu sein, mich daran zu freuen, es zu feiern, ist Teil meiner Bosheit. Ich möchte mir dennoch zugutehalten, dass ich relativ harmlos, geradezu subtil und verborgen übel bin. Entscheidend ist, dass mir die Bosheit eine schillernde Wahrheit offenbart hat, die ich mit dir, verehrter Leser, teilen möchte. Dazu muss ich mich bekannt machen. Oder besser beschreiben, wie ich meine Bosheit denke und lebe, die sich durch den Blick von außen so schwer enttarnen lässt.

Es beginnt bereits mit dem Erwachen am frühen Morgen. Obwohl mir frühes Aufstehen nichts ausmacht, bleibe ich zunächst liegen. Mein Beruf zwingt mir keinen frühen Beginn auf, dieser Luxus kommt mir gelegen, um jetzt bereits die langsam steigende Spannung zu genießen. Hellwach und mit geschärften Sinnen warte ich auf das Erwachen meiner Mitbewohner. Sobald sich jemand regt oder ein Wecker klingelt bin ich auf den Beinen und auf dem Weg ins Bad. Das ist der beste Zeitpunkt, um mit der Bosheit des Tages zu beginnen. Im Bad habe ich alle Zeit der Welt. In Ruhe Zeitung lesen auf der Toilette, anschließend eine Rasur mit größtmöglicher, detailverliebter Sorgfalt, obwohl ich mich recht wenig um ein gepflegtes Äußeres schere. Dann ausgiebig duschen. Wenn ich den Verdacht habe, dass es für einen meiner Mitbewohner ein besonders wichtiger Tag ist, darf es auch ein Bad mit Kerzen und allerlei duftenden Ölen und Salzen sein.
Das Verhalten meiner Mitbewohner ist vorhersehbar. Zunächst geschieht gar nichts, sie warten geduldig, denn ihr Anspruch auf das Bad ist derselbe wie meiner. Nach einer Weile klopfen sie vorsichtig. Mit kaum gespielter Unschuld gebe ich durch die Tür zurück, dass das Bad besetzt sei. Obwohl das offensichtlich ist, scheint es sie für eine weitere Spanne zu besänftigen und meine Freude an der sich so langsamen steigernden Spannung zu vergrößern, die unzweifelhaft auf einen Höhepunkt zuläuft. Wenn sie dann fragen, ob sie kurz ins Bad dürften, ohne zu schauen, lüge ich schalkhaft durch die Tür, dass ich sofort fertig sei und das Bad dann frei würde. Diese Lüge enttarnt sich mit der Zeit selbst, was zu doch heftigem und wütendem Rufen und Pochen an die Tür führt. Das ist mein Moment, die Tür zu öffnen und den Weg ins Bad freizugeben, jedoch nicht ohne – noch im Türrahmen stehend – beleidigt und spitz anzumerken, dass sie doch einfach mal früher aufstehen könnten. Und so ähnlich mache ich es mit allen gemeinsam benutzten Räumlichkeiten unseres Hauses.

Bei unseren Bewohnerversammlungen ist dies natürlich immer wieder Thema. Und natürlich gebe ich mich verständisvoll und gelobe Besserung. Und ich mache mich zum Opfer, indem ich jede nur denkbare psychologische Erklärung in aller nur möglichen Ausführlichkeit vorbringe und erläutere. Davon kenne ich viele, bin ich doch seit mehr als zehn Jahren in psychotherapeutischer Behandlung, was mir einige Munition für derartige Ausführungen liefert. Selbstverständlich dient dies nicht meiner Rechtfertigung, schon gar nicht mir selbst gegenüber, denn ich weiß ja genau, welches Vergnügen ich dabei empfinde und bereue dies nicht, im Gegenteil. Nein, es dient ausschließlich dem Ziel, diese Besprechungen unerträglich in die Länge zu ziehen. Versucht man mich zu stoppen, wende ich ein, dass ich meinerseits allen anderen stets aufmerksam zuhöre – ein schwer zu überprüfendes und damit schwer widerlegbares Faktum – und fordere für mich den gleichen Respekt und die gleiche Beachtung ein. Und schließlich ginge es darum, unser Gemeinwesen zu verbessern, daran müssten doch alle gleichermaßen interessiert sein. Schlussendlich resignieren sie in der Erkenntnis, dass mir zuzuhören weniger qualvoll ist als mich zu unterbrechen. Neben meiner Genugtuung über ihre Ermüdung labt sich meine Bosheit daran, dass so auch dringend zu besprechende Themen wiederholt von der Tagesordnung fallen.
Paradoxerweise zwingen meine Bosheiten meine Mitbewohner dazu, sich selbst zu optimieren. Sie müssen ruhiger sein, klüger, besser argumentieren. Sie dürfen meiner Bosheit keinen Raum lassen, sich zu entfalten. Sie müssen lernen, die Umstände so zu setzen, dass sie die Bosheit eindämmen. Damit will ich nicht sagen, dass ich doch auf heimliche Weise gut bin. Ich bin übel, unzweifelhaft. Aber man erkennt es nicht, bestenfalls hält man mich für etwas kompliziert und gibt sich am Ende selbst die Schuld und Verantwortung, als sie mir zuzuschreiben.

Der große Unterschied zwischen allen – nicht nur meinem Mitbewohnern – und mir liegt in der Menge an verfügbarer Zeit, meiner unerschütterlichen Geduld und der vollkommenen Gleichgültikeit gegenüber Konflikten. Das Vergnügen an Konflikten ist ein zentrales Element meiner, vielleicht sogar jeder Art nichtpathologischer Bosheit.

Zurück zum Verlauf meines Tages: Ich verlasse das Haus, um mein Stammcafe zu besuchen. Ich nenne es nicht Liebslingscafe, weil mich weder die Qualtät des Kaffees noch das Ambiente in irgeneiner Weise interessieren. Bosheit kann an solcherlei Dingen keine Freude finden. Stattdessen mag ich den Tisch, der sich nahe an einer seit langem gelockerten Bodenfliese befindet, an deren Unberechenbarkeit erstaunlich viele Gäste stolpern und – mit etwas Glück – straucheln. Warum diese Fliese nie repariert wurde ist mir unverständlich, vielleicht hält der Cafebesitzer dies für einen Teil des mediteranen Flairs. Wie dem auch sei ist es ein Glücksfall für mich, habe ich doch eine diebische Freude daran, besonders wenn der Unglückliche wirklich stürzt, bestenfalls noch mit Getränken und Speisen. Manchmal spreche ich Gäste im Vorbeigehen an, um ihre Aufmerksamkeit von möglichen Unebenheiten des Bodens abzulenken. Gelingt mir ihr Sturz, bin ich der Erste, um helfend beizuspringen, während ich innerlich laut lachen muss. Am Ende mühen sie sich, mir zu danken, ohne zu ahnen, was hinter meiner Hilfsbereitschaft steckt.

Ich mag dieses Cafe auch wegen seiner zahlreichen Stammgäste. Ich mag es, ihnen ihre bevorzugte Zeitung wegzuschnappen, wie sie üblicherweise in Cafes dieser Art ausliegen. Da ich dies unmöglich für alle Stammgäste gleichzeitig tun kann, suche ich mir meine Opfer zufällig aus. Zum einen gibt mir das die Möglichkeit, zahlreiche erstaunte und verärgerte Gesichter zu sehen, zudem macht es mein Verhalten unvorhersehbar und lässt meine Bosheit verborgen. Wenn ich das Cafe betrete schaue ich, welcher Stammgast zur gewohnten Zeit noch nicht anwesend ist. Entsprechend wähle ich meine Zeitung aus. Manchmal nehme ich mir noch eine zweite der entgegengesetzten politischen Ideologie. Werde ich dann nach einer Zeitung gefragt, gebe ich vor mich für genau diese zu interessieren und biete die andere an. Meist wird das akzeptiert, wenn auch zähneknirschend. Wiederrum trägt meine Bosheit somit zur politischen Toleranz bei. Nunja. In jedem Fall gebe ich die Zeitung erst zurück, wenn niemand mehr Interesse an ihr hat.

Das hat zur Folge, dass ich oft verspätet zum Dienst erscheine. Das stellt kein tatsächliches Problem dar, da ich als Beamter des öffentlichen Dienstes nicht kündbar bin, was weitere erfreuliche Konflikte zur Folge hat. Doch dazu später mehr.

Besuche ich ein anderes Cafe, wähle ich ein möglichst großes, besser ein besonders langes aus und setze mich an den am weitesten vom Tresen entfernten Tisch. Dadurch hat der Kellner den längsten Weg, um mich zu bedienen. Der arme Kerl hat natürlich nicht die leiseste Ahnung, welche Genugtuung mir seine fruchtlose Mühe bringen wird. Wenn er mich begrüßt, sage ich ihm, dass ich noch nichts bestellen mag, da ich auf einen engen Freund warte und bitte ihn, in einigen Minuten noch einmal nachzufragen. Dies wiederhole ich einige Male, bis ich ihn schließlich herbeiwinke, um doch nur für mich selbst etwas zu bestellen. Dann erst finde ich in einem quälend langen Prozess auf der Karte nichts geeignetes und lasse ihn das ein ums andere Mal in der Küche zu meinen Sonderwünschen nachfragen, die ich dann doch stets freundlich und bedauernd als unzureichend befinde. Zu keiner Zeit erscheine ich verärgert, sondern gebe mich lachend und scherzend. Dabei genieße ich die wachsende Frustration des Kellners in seinem Bemühen, meinen Wünschen gerecht zu werden. Seine wiederholten Entschuldigungen speisen meine heimliche Bosheit. Endlich beschwichtige ich und bestelle etwas, nicht ohne ihn auch während der Mahlzeit mehrfach für unnötige Kleinigkeiten zu mir zu bitten. Obwohl freundlich und höflich, erzeuge ich so doch bei ihm ein Gefühl des Unvollkommenen, Minderwertigen.

Bosheit ist kein einfaches Geschäft, soll sie verborgen bleiben. Ich verfüge über die bewundernswerte Gabe des logisch-mathematischen Denkens, die es mir erlaubt, meine Handlungen vollkommen konsistent erscheinen zu lassen. Es ist unmöglich, unter allen Umständen unmöglich, mich für den Unbill des üblen Geschehens verantwortlich zu machen. Die Menschen spüren die Bosheit, können aber den Grund nicht finden. Nicht nur, dass mir kein Unrecht nachzuweisen wäre, selbst in ihrem Inneren finden sie keine Schuld bei mir. Einige wenige entwickeln das Gefühl, das etwas um mich herum nicht stimmt. Meine durch das ewige Verbergen des Übels geschulte Emphatie erkennt wiederrum ihren Verdacht und vortan halte ich mich von ihnen fern. Ich möchte anderen Schwierigkeiten bereiten, nicht mein eigenes Leben komplizieren.

Sobald ich mein Frühstückvergnügen beendet habe, setze ich mich ins Auto. Kaum ein System ist stärker reglementiert als der Straßenverkehr, kollabiert aber ironischerweise dann, wenn sich alle oder auch nur manche an die Regeln halten. Dann wird er für alle zur Qual. Genau deshalb halte ich mich an die Regeln, so pedantisch und freundlich wie es mir nur möglich ist. Auch im dicksten Verkehr zögere ich nicht, jeden Fussgänger über die Straße zu bitten, keinesfalls ein gelbes Ampellicht noch zu überfahren, an jeder Querstraße wartende Autos einzulassen. Letzteres erzeugt mir einen kleinen, inneren Konflikt, da ich schließlich jemandem etwas Gutes und Erleichterndes zukommen lasse, von dem ich oft auch noch berechtigte und ernst gemeinte Dankbarkeit empfange. So ist das Leben. Man kann es nicht allein gleichzeitig schwer machen, man muss sich entscheiden. Des einen Leid ist leider des anderen Freud. Der dieser Weltwahrheit innewohnende Zynismus macht mir den Konflikt erträglich. Ebenso wie der Blick in den Rückspiegel, der mir haareraufende, wild gestikulierende, auf das Lenkrad einschlagende Fahrer zeigt, die offenbar eingebildete Beifahrer anschreien und beschimpfen. Vorwerfen kann man mir dennoch gar nichts, da mein Verhalten freundlich und regelgerecht ist. Beschimpft man mich als „Opa!“, lächle ich nur ergeben mit erhobenem Daumen als freue ich mich an der mutmaßlichen Ironie. Dies erspart mir manche Prügel, sollte sich die Wut entladen wollen.
Was die Regeln angeht, bin ich natürlich kein Purist. Wenn es die Situation verlangt, wechsle ich die Seite. Prinzipientreue passt nicht zur Bosheit. Wenn der Verkehr im Stau völlig zum Erliegen kommt und sinnloses Hupen beginnt, stimme ich willig mit Dauerhupen ein, einzig, um zum allgemeinen Stressniveau beizutragen.

Offensichtlich ist der Arbeitsplatz ein wunderebarer Ort für mein Übel. Natürlich begrüße ich niemals den Pförtner, den meine Gleichgültikeit offensichtlich irritiert. Am Aufzug warte ich so lange, bis ich einen für mich allein ergattern kann. Das kann eine Weile dauern, lohnt sich aber, wenn dann doch noch jemand eilt, den Aufzug noch zu erreichen. In diesem Augenblick zeige ich mich übertrieben aktiv, drücke hektisch den Knopf zum Schließen der Tür. Schafft die Person es dennoch, wird sie mir für meine vermeintliche Hilfe danken und meine Hinterhältigkeit jubelt. Schafft sie es nicht, zucke ich bedauernd und mit Unschuldsmine die Achseln. Ich habe ja alles versucht.

Mein Chef hat aufgegeben, sich für mein ständiges Zuspätkommen zu interessieren. Zum einen ist es nicht sein Geld, zum größten Teil aber weil er wie jeder vernünftige Mensch von meinen langwierigen Erklärungen genug hat. Eine Methode, die ich schon an anderer Stelle so erfolgreich einsetze.

Meine Amtstätigkeit ist irrelevant. Außer für den armen Bürger, der einen Antrag stellen musste; nur der Amtsschimmel weiß, warum. Diese armen Teufel werden mich niemals persönlich antreffen und ich werde ihnen niemals einen Grund zur Beschwerde geben. Tun sie es doch, beklagen die lange Bearbeitungszeit, trifft ihre Wut nicht mich, sondern meinen Chef, der es aufgegeben hat, sie an mich weiterzuleiten. Siehe oben. So schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Aber sie werden lernen, sich in Geduld zu üben. Der einzige Anreiz zur Bearbeitung eines Antrags ist meine Bereitschaft dazu. Und diese ist per se nicht besonders hoch, und lässt kaum mehr als wenige Anträge am Tag zu. Und es ist meine Entscheidung, meine Willkür, welche ich auswähle. Willkür verträgt sich gut mit Bosheit, ist ein hervorragendes Werkzeug. Vielleicht gefällt mir einfach nur der Name nicht und ein Antrag landet wieder ganz unten unter dem Stapel. Oder ich finde, erfinde, einen winzigen Formfehler als Grund, um den Antrag in Gänze abzulehnen und den Prozess in eine neuerliche Runde zu zwingen.

Meine Kollegen meiden mich. Das ist allgemein von Vorteil, habe ich doch auch kein Interesse, mich mit ihnen zu beschäftigen. Es ist offensichtlich, dass meine Einstellung zum Beruf nicht förderlich für jede Form von Karriere ist. Das belastet mich nicht, gibt mir doch der herkömmliche berufliche Erfolg keinerlei Befriedigung. Ein Aufstieg in einem System, das ich torpediere, muss mir sogar gleichsam als Misserfolg erscheinen. Dennoch lassen sich Beförderungen durch bloße, langzeitige Zugehörigkeit nicht vermeiden. Dadurch habe ich Kollegen, die mir unterstellt sind. Dieser Umstand hat mir einen ausgezeichneten Aspekt meiner Bosheit offenbart: Stolz. Man sollte meinen, dass Untergebene besonders zu leiden hätten, können sie sich doch kaum wehren oder ausweichen. Aber es liegt etwas von Größe darin, das Übel gleichmäßig in alle Richtungen der Organisation zu senden. Stolz und Bosheit – zwei Dimensionen meines Charakters, die aneinander wachsen und sich entfalten.

Nach der Arbeit, oder was andere dafür halten mögen, besuche ich die Universität. Ich habe ausreichend Freizeit und das universitäre System verlangt keine konsistente Anwesenheit. Ich habe keinerlei Interesse an irgendeinem Abschluss. Wie bei den Bewohnerversammlungen geht es mir darum, die Kommilitonen mit unsinnigen Nachfragen und endlosen Einsprüchen zu quälen. „Ich weiß nicht warum, aber ich bin dagegen!“ – ist mein ideologisches Mantra. Meist bedeutet dies das Einnehmen extrem rechter Positionen, deren Aussagen meist dumm und unlogisch, gleichzeitig aber extrem provozierend auf die eher-linken, marxistischen Horden der Studentenschaft wirken. Ihr religiöser Feuereifer mich zu widerlegen und an meiner vorgegebenen Ignoranz abzuprallen ist mir stets ein Fest.
In der Bücherei bestelle ich häufig Bücher, die es entweder gar nicht gibt oder deren Thema weitab derjenigen ist, wie sie in einer universitären Bibliothek zu finden sind. Auch das andere Verwaltungspersonal beschäftige ich mit Anträgen und Anfragen. Dies erscheint mir als ein Akt beträchtlicher und ausgleichender Gerechtigkeit.

Letztlich, wenn ich Abends nach Hause zurückkehre, bereite ich mir ein Abendessen, nicht ohne meine Mitbewohner damit so gut es geht zu stören. Ich beklage mich noch über dieses und jenes, lamentiere dass ich einen harten Tag hatte und keine Lust mehr habe, mich mit ihren unsinnigen Erwiderungen zu befassen. Mit etwas Glück rauben diese Konflikte dem ein oder anderen den Schlaf.
Ich dagegen, wenn ich im Bett den Tag Revue passieren lasse, falle zufrieden in Morpheus‘ Schoß und schlafe wie ein Engel.

Ob ich stolz auf meine Bosheit bin? Nicht unbedingt, aber ich akzeptiere sie von ganzem Herzen. Wie ich auch mich mit ganzem Herzen akzeptiere. Ich werfe mir nichts vor, bedaure und bereue nichts. So wie es ein einsamer Wolf täte.
Ganz anders als meine Familie. Deshalb finanzieren sie meine Therapie. Ich habe eingewilligt, nicht etwa weil ich mich ändern möchte, sondern um die Sinnlosigkeit eines solchen Unterfangens zu demonstrieren und das Maß an Frustration und Hilflosigkeit bei meinen lieben Eltern und Geschwistern weiter zu steigern.

Mein Therapeut weiß davon nichts. Das muss ihn verwundern, führe ich ihm doch in jeder Stunde die Nutzlosigkeit seiner Bemühungen vor Augen. Er wird kaum verstehen, warum ich meine und seine Zeit so sinnlos verschwende und auch noch dafür bezahle. Er kann nicht ahnen, auf welche von ihm sicher unerwünschte Weise mir diese Therapie Freude bereitet. Sollte er jemals herausfinden, woher das Geld wirklich kommt, würde ich ihn von da ab selbst bezahlen, allein um ihn nicht aus seiner Verwirrung entkommen zu lassen. Sein Selbstverständnis als Therapeut beruht letztlich auf der irrigen Annahme, Menschen und besonders seine Patienten zu verstehen. Es ist schön, solide gedachte Grundpfeiler eines Menschen ins Wanken zu bringen.

Freunde habe ich nicht. Wer würde jemanden wie mich zum Freund haben wollen? Und noch entscheidender, wie sollte jemand wie ich Freunde haben wollen? Von einer Freundin ganz zu schweigen.

Stattdessen habe ich Leser, schließlich bin ich Autor. Und auch mit ihnen spiele ich gern. So verspreche ich tiefe Einblicke in schillernde Wahrheiten, die sich niemals zeigen werden. Ich baue Spannung mit immer neuen unterhaltsamen und vielversprechenden Anekdoten auf, die nirgends hinführen. Erst im letzten Absatz wird dann klar: Es gibt keine Weisheit, kein Geheimnis, die ganze Geschichte ist nichts als Blendwerk. Der Leser ist enttäuscht, fühlt sich betrogen und kommt sich dumm und naiv vor, dem üblen Gesellen so lange getraut und in seiner Geschichte gefolgt zu sein. Und auch wenn die Einsicht schwer fällt: So ist es nun geschehen!
So zeigt sich auf magische Art das höchst Böse. Oder auch nicht.